Wunschzettel und Drehbücher

Das Schimpfwort der SM-Szene: Der „Wunschzettelsklave“.

Er hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie seine Herrin sich zu präsentieren und was sie ihm anzutun hat, seine Unterwerfung ist an wohldefinierte Bedingungen geknüpft. Natürlich möchte a) kein Passiver ein „Wunschzettelsklave“ sein und b) keine wahrhaftige Herrin möchte sich mit so jemandem abgeben.

Ich sage: Liebe Passive, steht zu euren Wünschen und zu eurem Kopfkino, gerade bei einer professionellen SM-Dienstleisterin. Und wenn es eine möglichst exakt umgesetzte Phantasie sein soll, dann müsst ihr vielleicht ein paar Damen mehr befragen, bis sich jemand in eurem Film wiederfindet. Aber eure Wünsche sind unser Job, und eure Zufriedenheit unser Vergnügen – ehrlich!

Ich unterhalte mich immer wieder mit Gästen und Interessenten, die in SM-Klischees gefangen sind, und zwar nicht deshalb, weil ihre geheimsten Neigungen zufällig einem Klischee entsprächen (auch das gibt’s natürlich und das ist auch okay), sondern weil sie sich nicht trauen zu formulieren, was sie wirklich reizt, und sich stattdessen damit zufriedengeben, was „ein Sklave zu tun hat“.  Ich ernte immer wieder große Augen, wenn ich beispielsweise jemanden, der sich zwecks einer „Rohrstockerziehung“ bei mir einfindet, frage, ob es denn in erster Linie die „Erziehung“ (also das Rollenspiel) ist, das ihn reizt, oder ob ihn schlicht die Druckwellen durch das Becken erregen, die so ein Schlaginstrument auf einem Hinterteil verursacht. Denn das sind zwei elementar unterschiedliche Spiele, die sich natürlich wunderbar kombinieren, aber auch probemlos unabhängig voneinander genießen lassen. Und es sind längst nicht die einzig möglichen Motivationen für eine Flag- und Spankingsession.

Macht euch darüber Gedanken, was euch wichtig ist, was euch antreibt, und wenn ihr zum Beispiel im e-mail-Kontakt eine Phantasie beschreibt, lasst mich wissen, ob es sich um eine Inspiration für mich handelt, oder ob ihr diese Phantasie möglichst genau umsetzen wollt.

Ein  gewisser  Rahmen  macht  meines  Erachtens entspannte Kreativität überhaupt erst möglich – es sei denn, man kennt sich bereits sehr gut. Ich   bin   mehr   an  den  Reaktionen  und  Gefühlen  meiner  „Opfer“ interessiert als an bestimmten Praktiken, und mit welchen Methoden ich erreichen  kann, was ich möchte, ist immer individuell. Das lässt sich entweder  nach  und  nach  im  gemeinsamen Spiel herausfinden, oder es entsteht  ein  gewisser  Vorsprung durch Kommunikation im Vorfeld. Eine Mischung  von  beidem  halte  ich  für  optimal,  daher  ist mir eine „Wunschliste“  durchaus wertvoll.

Eine  gute  Domina  zeichnet  sich dadurch  aus,  dass  sie die Phantasien ihres Passiven als Inspiration aufgreift und dann zu ihrem eigenen Spiel macht. Bei  einem  sehr exakten Drehbuch wechsle ich den Modus von kreativer Dominanz  zur  Schauspielerei,  was  ebenfalls  legitim  ist und allen Beteiligten  Spaß  machen kann. Schwierig wird es lediglich dann, wenn ein  Kandidat  auch  außerhalb  der  eigentlichen Session die Illusion braucht, ich wäre nun ganz zufällig von allein und aus überschäumender Naturdominanz darauf gekommen, sein Kopfkino eins zu eins umzusetzen …

Ein Drehbuch umzusetzen ist ein anderer Ansatz, als meiner persönlichen Neigung und Kreativität im Rahmen der Interessen meines Gegenübers freien Lauf lassen zu können und hat mit Dominanz nichts zu tun. So what? Wir inszenieren stattdessen gemeinsam eine hoffentlich großartige Show. Der Gast ist Mitspieler, Regisseur und Publikum, und ich Star und Muse zugleich.

Ich setze Drehbücher unter folgenden Voraussetzungen um: wenn mir die mir zugeschriebene Rolle zusagt, wenn der Inhalt realistisch ist, und solange das Ganze in einem Umfang bleibt, den ich mir merken kann (oder es dem Gast nicht die Illusion zerstört, wenn ich das Skript mit in die Session nehme und ab und an reinschaue). Was natürlich heisst, dass ich auch Drehbücher ablehne, die diese Kriterien nicht erfüllen.
Mit diesem Ansatz habe ich bisher sehr gute Erfahrungen gemacht und viel Spaß und glückliche Spielpartner gehabt.

Und: ich finde klar abgesprochene Drehbücher wesentlich angenehmer als den Anschein von Submissivität gepaart mit penetrantem Topping from the Bottom („könnte die Herrin mal dies und würde die Herrin mal jenes“). Zum einen, weil ich bei einem Drehbuch vorher weiss, worauf ich mich einlasse (oder eben nicht), zum zweiten, weil Dominanz für mich ein anderer Headspace ist als Schauspielerei und ich im Dominamodus recht ungehalten reagiere, wenn jemand versucht, mir allzu exakte Vorschriften zu machen. Von Ehrlichkeit im Vorfeld haben also alle Beteiligten mehr.

Und wer immer noch der Meinung ist, ein „echter Sklave“ habe keinerlei Wünsche zu äußern und alles zu tun und zu ertragen, was seine Göttin von ihm verlangt, den möchte ich gern erleben, wenn sie sagt, „leg dein Geld hin und geh wieder, ich möchte gerade lieber ein Buch lesen.“

In diesem Sinne: Wunschzettel zu mir!

2 Kommentare:

  1. Verehrte Lady,

    Vielen Dank für diese Worte. Eine Orientierung die Mut macht und mir aus der Seele spricht.
    Meinen devoten Respekt für diese herausragende Bestandsaufnahme.

    Devote Grüße

    Waste2009

  2. Dieser Eintrag mir auch sehr viel Mut mich meiner Lady zu öffnen. So mal ich von ihr auch als Hausaufgabe bekam genau mein Kopfkino aufzuschreiben. Es fällt einem schwer,weil man nicht will das man irgendwie der Bestimmer ist. Aber genau das bringt einen zusammen. So stellt man eher fest das man gleiche Fetische hat,bennen kann was man brauchst, damit das ganze eine Runde Sache wird.

    Von daher stimme ich dir zu Wunschzettel braucht man auch als passiver Part damit man sich im Spiel gehen lassen kann…

    Danke für deinen Blog….

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