„Hat eine professionelle Domina eigentlich Lampenfieber?“

Diese Frage bekam ich zusammen mit einigen anderen spannenden Anregungen für zukünftige Blog-Artikel kürzlich als Leserbrief zugeschickt:

„Hat eine professionelle Domina eigentlich Lampenfieber? Immerhin ist es ja ein Auftritt und eine schauspielerische Inszenierung.“

Diese Frage schließt sich an ein Erlebnis an: Ich war bei Domina x in y, im Sozialraum ihres Studios, und eine ihrer Damen machte sich fertig für einen wartenden Gast. Ich war verblüfft wahrzunehmen, dass die Dame irgendwie nervös wirkte.

Bevor sie losging, hat sie sich sichtlich innerlich gestrafft … Obwohl ich mir einbilde, nicht völlig blöd zu sein, war es mir davor nie in den Sinn gekommen, dass eine professionelle Domina auch nervös sein könnte vor einer Session … dass das für sie wie ein Bühnenauftritt ist! Davor hatte ich, ohne viel darüber nachzudenken, mir vorgestellt, eine professionelle
Domina sei eben das was sie ist, wie ein Baum … sie käme zur Arbeit, machte die Arbeit, und ginge wieder nach Hause.

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Ja!

Es ist in der Tat genau dasselbe. Ich habe Bühnenerfahrung in Improtheater, erotischen Performances (Strip und SM) und orientalischem Tanz (die jugendfreie Variante), halte gelegentlich Vorträge und Workshops zu diversen Themen und habe daher aus persönlicher Erfahrung einen recht guten Vergleich. Im Prinzip ist die professionelle Inszenierung einer SM-Session sowas wie Improvisationstheater für ein Publikum von einem Zuschauer, der gleichzeitig Mitspieler ist. Wie bei jedem guten Performance-Künstler wird das Ganze erst dann wirklich fesselnd und berührend, wenn ich im zur Rolle passenden Maß meine echten Gefühle zulasse und einbringe. Es geht um Charisma, Präsenz, und die mit dieser Selbstoffenbarung einhergehende Verletzlichkeit. Ich muss als (nicht nur professionelle) Domina in einer Session einen festen Standpunkt haben und souverän vertreten können, statt aus Angst vor der Reaktion meines Publikums halbherzige, vorauseilende Kompromisse einzugehen. Selbstsicherheit und emotionale Unabhängigkeit sind sexy. Und da kommt das Lampenfieber ins Spiel – denn natürlich sind auch viele von uns Profis nicht gar so unerschütterlich, wie wir das gerne hätten. Ganz besonders eine Anfängerin.

Ich persönlich war glücklicherweise von Nervosität bei keiner meiner bisherigen Tätigkeiten vor Publikum in einem Maß betroffen, das mich ernsthaft belastet hätte. Und in meinem eigenen Studio bin ich mit einer schlafwandlerischen Sicherheit unterwegs, die mich das Thema Lampenfieber die meiste Zeit sogar komplett vergessen lässt. Allerdings lege ich mir zum Beispiel immer den Session-Einstieg mental zurecht, bevor ich das Spielzimmer betrete, sei es der Eingangssatz für ein Rollenspiel oder die erste Position, ich die ich mein Opfer bringen möchte, um mich dann erst einmal in seine Reaktionen einfühlen zu können. Und oft habe ich auch einen groben Ablauf der jeweiligen Session in Kopf, der dann natürlich noch an das Feedback meines Gegenübers angepasst wird.

Das „innerliche Straffen“, was du beschreibst, muss übrigens nicht notwendigerweise etwas mit Nervosität und Lampenfieber zu tun haben und tritt auch bei erfahrenen, völlig entspannten Sexworkern auf. Dass ich mich, unmittelbar bevor ich den Aufenthaltsraum verlasse, ein paar Sekunden lang mental sammle, würdest du auch bei mir beobachten können. Das ist eine Konzentrationsübung – ich baue den enorm hohen Fokus auf, den mein Gegenüber nun gleich von mir erwarten darf.

3 Kommentare:

  1. >>>>>>> Im Prinzip ist die professionelle Inszenierung einer SM-Session sowas wie Improvisationstheater für ein Publikum von einem Zuschauer, der gleichzeitig Mitspieler ist. Wie bei jedem guten Performance-Künstler wird das Ganze erst dann wirklich fesselnd und berührend, wenn ich im zur Rolle passenden Maß meine echten Gefühle zulasse und einbringe.

    Wunderbar formuliert! Und das, was du sagst, macht einen Aspekt deutlich, den ich in den vielen Diskussionen zum Thema „authentische“ Domina vs. reine Geldverdienerin mit Peitsche nie gesehen habe: Es gibt noch was dazwischen, nämlich die Frage, ob die Dame die Session ernst nimmt, ganz unabhängig davon, ob sie theoretisch ein erotisches Interesse an derartigen Spielen hat, oder nicht—und ernst nehmen geht nur, in dieser schauspielerischen Inszenierung, durch emotionales sich-einlassen…wie eben auch beim Bühnenschauspieler. Und wie der Schauspieler, der auch im wirklichen Leben nicht unbedingt wirklich ein alter, englischer König ist, obwohl er Shakespeare spielt, das aber trotzdem auf der Bühne werden muss, muss eine gute professionelle Domina, egal ob „echt veranlagt“ oder nicht, sich in einer Weise mit der Rolle identifizieren, die sie auch verletzlich macht.

    …also geht eine wirklich gute professionelle Domina auch ein größeres emotionales Risiko ein.

  2. Es ist doch im Prinzip wie mit jeder anderen Inszenierung auch, wenn man sich nicht auf die Rolle einlassen kann, kanns nichts werden. Hier mal ein (persönliches) Beispiel:
    Ich bin seit Jahren Pen an Paper und live Rollenspieler und hab im zuge dessen viele Konzepte und Rollen gespielt, viele davon jedoch früh wieder verworfen, weil mir das Konzept selbst zwar gefiel, aber mir die Einlassungs- und Einfindungsbereitschaft fehlte, oder es nicht so klappte wie ich es mir vorgestellt hatte.
    Aber im Prinzip spielen wir ja im Altag auch alle brav unsere Rollen, es fällt uns nur leiuchter, weils alltäglich ist. Zu seinen Freunden ist man beispielsweiser ganz anders als zu den Arbeitskolegen, Vorgesetztem oder gar dem Partner.
    Ansonsten find ichs gut, dass auch sowas mal diskutiert wird und wie bei meinem Vorredner (oder auch dir selber) auch ganz neue Erkentnisse zustande bringt.

    Wie immer liebe Grüße
    Cain

  3. Nervös zu sein ist Menschlich und zeigt, das jemand auch menschlich ist.

    Warum sollten auch immer nur die Gäste nervös sein….Meine Lady war auch beim ersten Treffen etwas aufgeregt,weil ich der erste Gast im Rolli war. Wenn man dann ins Spiel geht geht das meist von selbst…

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