Tutorial: Spanking, Spaß und Spuren

Was bedeutet eigentlich „Aufwärmen“ bei Flagellationsspielen (Flagellation = Schlagen, von lat. flagellum = Geissel). Warum genau wärmen wir auf – oder lassen es aus bestimmten Gründen? Wie baue ich eine klassische Spanking-Session auf? Welche verschiedenen Motivationen treiben Flagellanten an, und wie setze ich bestimmte Ziele um?

Es gibt im Netz ausführliche Beschreibungen der sicher zu schlagenden Körperregionen zu finden. In Workshops kann man die Verwendung verschiedener Schlaginstrumente erlernen. Kaum etwas habe ich aber bisher über den zeitlichen Aufbau der Intensität einer Flagellationssession gehört oder gelesen.

1. Der „Allgemeinfall“

Häufig lebt eine Flag-Session, wie viele andere SM-Erlebnisse auch, durch ein Wechselbad der Gefühle. Auf Wohlfühlphasen folgen Steigerungen der Intensität bis zur individuellen (Schmerz-)Grenze Passiven, u.U. eine Grenzüberschreitung, falls dies einvernehmlicher Teil des Spiels ist. Auf einen heftigeren Teil folgt wieder eine wohlige „Schlagmassage“. Intensitätsspitzen und Erholungsphasen wiederholen sich mehrfach. Unter Umständen werden die Schlaginstrumente im Laufe der Session gewechselt, um die Unterschiede in den Empfindungen zu unterstreichen.

Eine typische Flag-Session könnte zum Beispiel so aufgebaut sein:

blicher Verlauf einer Schlagsession

Diagramm 1 - üblicher Verlauf einer Schlagsession

Nach oben ist die Schlagintensität aufgetragen, nach rechts die Zeit. Die rote Kurve beschreibt den Verlauf der Schlagintensität, die grüne Kurve die Schmerzgrenze des Passiven. Im Beispiel wird also zuerst innerhalb des Wohlfühlbereiches sanft aufgewärmt, dann folgen zwei Intensitätsspitzen mit dem Aufwärminstrument. Anschließend wird möglicherweise das Schlaginstrument gewechselt und die Heftigkeit der weiteren Schläge verläuft in Wellen. Zweimal wird die Schmerzgrenze für einige Schläge überschritten. Die beiden Plateaus am Ende beschreiben je eine Serie von gleichbleibender, hoher Intensität, u.U. mit einer vorgegebenen Anzahl von Schlägen. Typisch wäre zum Beispiel jeweils ein Dutzend Schläge mit einem Rohrstock.

Erwähnenswert ist, dass die Schmerzgrenze sich mit den einprasselnden Reizen verschiebt. Insbesondere Schläge ausserhalb der Wohlfühlzone führen zu einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen und heben somit die Schmerzgrenze mit kurzer Zeitverzögerung am stärksten an. Das durch den Schmerzreiz ausgeschüttete Endorphin (= endogenes Morphin, also ein körpereigenes Betäubungsmittel) löst ein Glücksempfinden aus, was für viele Masochisten eine der Hauptmotivationen darstellt, sich solch intensiven körperlichen Reizen auszusetzen. Der Effekt ist vergleichbar mit dem Runner’s High eines Sportlers.

2. Maximaler Schmerz, minimale Spuren

Für diejenigen, die durch die Hölle gehen, aber ein paar Tage später wieder äusserlich unbeschädigt mit den Kumpels im Sportverein unter der Dusche stehen möchten, ist diese Vorgehensweise zu empfehlen.

Zunächst möchte ich ein bisschen genauer auf den Sinn des Aufwärmens eingehen. Als Aufwärmen definiere ich sich langsam steigernde Schläge innerhalb der Wohlfühlgrenzen des Passiven zu Beginn einer Session (oder nach einer längeren Schlagpause). Das Aufwärmen dient im wesentlichen drei Zwecken: Erstens dem sanften Anheben der allgemeinen Schmerzgrenze durch die Stimulation der Endorphinausschüttung. Zweitens einer temporären Betäubung der Nerven im Bereich der Schlagfläche durch Überreizung und somit einer lokalen Verringerung der Empfindlichkeit. Diese beiden Punkte bewirken, dass anschließend starke Schläge besser ausgehalten und subjektiv als angenehmer empfunden werden. Dadurch kann beispielsweise die manchmal als bis zum Orgasmus erotisch empfundene Tiefenmassagewirkung eines Po-Spankings ausgekostet werden, ohne dass ein in der Hautoberfläche ausgelöster Schmerzreiz stört.

Drittens regt diese intensive Massage der Schlagfläche dort die Durchblutung und Immunbereitschaft an. Das heisst, dass Verletzungen des Gewebes wie Striemen und Hämatome weniger leicht entstehen und nach dem Spiel auch schneller wieder abklingen. Um eine Flagellation mit möglichst wenig Spuren durchzuführen, muss also unbedingt vor härteren Schlägen ausführlich aufgewärmt werden.

Interessant ist es nun, die drei beschriebenen Effekte des Aufwärmens (generelle und lokale Erhöhung der Schmerzgrenze und Verminderung von Spuren) unabhängig voneinander auszulösen, um verschiedene Ziele und Wirkungen innerhalb einer Session zu erreichen. Hier ein Beispiel für maximalen Schmerz bei minimalen Spuren:

Diagramm 2 - maximaler Schmerz, minimale Spuren

Zunächst wird innerhalb der Wohlfühlgrenzen sanft, aber lange und ausführlich aufgewärmt. Die Ausschüttung von Stresshormonen wird explizit vermieden, indem die Schläge eher einer Massage gleichen. Eine tatsächliche Massage durch kräftiges Kneten der Schlagfläche kann sich damit abwechseln oder das Einschlagen sogar ganz ersetzen. Ergänzt werden kann das sanfte Aufwärmen durch Sitzen auf einem Heizkissen, um die Durchblutung weiter zu steigern. Dieses Vorgehen ist eine Gratwanderung – der physische Reiz muss stark genug sein, um auch eine Immunantwort hervorzurufen, wobei die Endorphinausschüttung möglichst gering gehalten wird.

Um ausserdem die lokale Betäubung der Nerven ebenfalls soweit als möglich zu vermeiden, sollten eher kleinflächige Instrumente wie beispielsweise ein Rohrstock verwendet werden. Die sonst zum Aufwärmen beliebten Paddles und Klatschen sind bekannt dafür, besonders schnell zu einer Nervenbetäubung zu führen und daher ungeeignet. Ähnliches gilt für die flache Hand.

Nach dem Aufwärmen folgt nun eine Folge sehr harter Schläge. Es besteht nur ein kurzes Zeitfenster von maximal einigen Minuten, in denen diese Behandlung als extrem schmerzhaft empfunden wird, da durch die enorme Ausschüttung von Stresshormonen der Körper sehr schnell weitgehend schmerzfrei wird. Weitere Schläge sind dann im Sinne der Session verschwendet und verursachen lediglich unnötige Gewebeschäden. Nach dem Abklingen des Endorphirausches kann die Prozedur aber natürlich wiederholt werden.

3. Cold Caning

Das gefürchtete Cold Caning („Kalte Rohrstockschläge“) ist die Brachialmethode unter den Spanking-Behandlungen. Hier wird auf ein Aufwärmen vollständig verzichtet – die Session besteht ausschließlich aus präzisen, voll durchgezogenen Rohrstockhieben mit kurzen Pausen dazwischen. Nach „Twelve of the Best“ ist bei vielen Kandidaten bereits Schmerzfreiheit erreicht – weitere Schläge können sinnvoll sein, wenn das Ziel des Spiels ausser der Qual auch möglichst heftige Spuren beinhaltet. So oder so müssen Spuren beim Cold Caning in Kauf genommen werden.

Cold Caning

Diagramm 3 - maximaler Schmerz, maximale Spuren (Cold Caning)

4. Maximale Spuren, minimaler Schmerz

Die zuletzt vorgestelle Vorgehensweise befriedigt etwas zarter besaitete Spurenfetischisten, die die Brutalität des Cold Caning scheuen, aber trotzem gern mit einem deutlich sichtbaren Andenken nachhause gehen möchten. Hier nutzen wir die beschriebenen Effekte des Aufwärmens genau umgekehrt wie in Fall zwei (maximaler Schmerz, minimale Spuren) – wir wollen die Schmerzgrenze erhöhen, ohne die lokale Immunabwehr zu frühzeitig zu mobilisieren. Am einfachsten lassen wir die Schlagfläche hierfür zunächste völlig aussen vor und regen sanft, aber bestimmt, immer an der Grenze des Wohlfühlbereiches sich steigernd die Endorphinausschüttung mit ganz anderen Methoden an – seien das Schläge auf andere Körperstellen, Hitze- oder Kältereize, Reizstrombehandlungen oder Nadelspiele. Eine leichte lokale Betäubung der Schlagfläche kann zudem durch entsprechende Salben erfolgen. Letzteres ist selbst dem größten bekennenden Weichei unter den Spurenliebhabern meist ein wenig zuviel des Guten, sollte aber der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Danach erfolgt dann erst die Flagellation innerhalb des zuvor vergrößerten Wohlfühlbereiches. Natürlich sollte man hier Instrumente verwenden, die für ihre deutlich sichtbare Wirksamkeit bekannt sind, wie beispielsweise dünnere Rohrstöcke, frisch geschnittene Ruten oder Dressurgerten.

Maximale Spuren, minimaler Schmerz

Diagramm 4 - maximale Spuren, minimaler Schmerz

15 Kommentare:

  1. Hallo,

    ich kann das Diagramm gut nach voll ziehen. Jeder wie er es mag. Diagramm 1 gefällt mir am besten. Aber auch Diagramm 3 ( max scmerz ) hat was

    gruß ins Netz

  2. Sehr schöne Beschreibung und ich stimme voll zu.

    Ganz kleinkariert könnte ich freilich anmerken, dass die Schlagintensität zeitlich diskrete Werte sein sollten aber das kann ich ja immer noch erwähnen wenn ich bei Undine ueber den Schoss liege …

    • Gut aufgepasst! Ich habe mir tatsächlich erlaubt, eine den Sachverhalt vereinfacht darstellende Hüllkurve anzulegen. 🙂 Aber mach nur so weiter … *g*

  3. UndinesFußdiener

    Ich bin sicher in Zukunft werden Studenten nicht umhin kommen das Standardwerk „Die theoretischen Grundlagen des systematischen Einsatzes des Aufwärmens im Flagellantismus“ von B.L. Undine zu lesen :). Jetzt bedauere ich zudem sehr Lady Undine nie als Dozentin gehabt zu haben ;-).

    • Don't tell mama

      Hallo zusammen!
      Ich komme nicht umhin auf diesen Kommentar zu antworten.
      Im Jahre 2017 ist dies tatsächlich geschehen (spsychologie)
      Und ich kann diese Fachlichkeit und Präzision nur Loben. Mit Abstand das allerbeste was ich gefunden habe!
      Dickes Lob!

  4. Danke für Teilen der Gedanken, spannend und hilfreich bei der Einordnung sich scheinbar widersprechender Erfahrungen.

    Für aussenstehende Skeptiker ist die Tatsache, dass es überhaupt möglich ist, einzuschätzen, welcher Schlag nun wann oberhalb oder unterhalb der unscharfen „Wohlfühlgrenze“ liegt, ein Beweis mehr… SM ist gelungene Kommunikation.

    Und es drängt sich am Ende der Kurve die Frage nach der „Flugphase“ auf.
    Die Phase, in der zur steigenden Schmerztoleranz Euphorieschübe und Realitätsverlust kommen, der Passive auch nicht mehr zurechnungsfähig seine eigene Situation einschätzen kann, aufmüpfig & gaga „tanzt“.

    Wie läuft die Kurve da? Kann man in dieser Flugphase zwischenlanden, sie strecken?

    Aber das ist sicher eine andere Geschichte… für ein anderes Mal.

    • Wie läuft die Kurve da? Kann man in dieser Flugphase zwischenlanden, sie strecken?

      Im zweiten und dritten Diagramm ist es angedeutet: Die Schmerzgrenze verläuft steil nach oben. Genau das ist bereits der von dir trefflich beschriebene Realitätsverlust, in der gern auch mal gekichert und Unsinn geplappert wird. Andere Menschen werden ganz still und genießen den Rausch. In dieser Phase kann der Passive oft nicht mehr einschätzen, wieviel Gewebeschaden angerichtet wird und würde auch meist kein Safeword mehr verwenden (können), daher liegt es in der Hand des Aktiven, zu beurteilen, wann Schluss ist. Nicht selten ist der Passive davon erst mal enttäuscht, weil er sich in diesem Moment für unzerstörbar hält – bis er seinen Hintern sieht.

      Diese Phase explizit auszudehnen zu versuchen, wäre ein interessantes Experiment, das habe ich noch nicht versucht. Irgendwann wird der Körper so oder so in Erschöpfung übergehen, aber bis dahin kann man möglicherweise noch ein wenig mehr Rausch herauskitzeln. Die Frage ist allerdings auch, ob das so überhaupt ankommt, weil auch das Zeitempfinden in diesem Zustand nicht mehr einwandfrei funktioniert.

      Gibt es in dieser Hinsicht Erfahrungen der Leser hier?

      • Nun, für statistische Betrachtungen reichen meine Erfahrungen eher nicht.

        Aber ich erlebte innerhalb einer längeren Spielbeziehung ein zunehmendes „Einspielen aufeinander“.
        Sie bestand z. B. nach sehr langsamen beständigen Steigern bei ersten Anzeichen einer Flugbereitschaft auf eine stille Pause.
        Das äusserte sich bei mir ihrer Aussage nach in einer sich änderenden Körperspannung und einem „rotzfrechen Bogart-Blick“

        In dieser Pause gabs Banane, Apfelschorle oder ähnliches um zu rasches Unterzuckern zu verhindern, keine Gespräche, höchstens sehr karge Wortwechsel, sehr leise, eher meditativ.

        Da man jedoch schon Blut geleckt hatte fiel der Einstieg dann recht leicht.

        Aber explitzte Versuche diesen Aufenthalt im „Nexus“ zu manipulieren haben wir auch nie gemacht. Irgendwie waren wir dann meist weit weg von Ehrgeiz.

  5. Liebe Undine,

    was in Deinem Tutorial nicht ausreichend beleuchtet ist, ist die Möglickeit, die Schmerztoleranz abzusenken, die Tracht Prügel also auf einen besonders schmerzempfindlichen Popo zu applizieren. Ich hatte Dir davon berichtet, dass ich solch eine Erfahrung bereits bei zwei verschiedenen Erzieherinnen machen durfte. Beide waren äußerst erfahren (sie dürften wohl zu Beginn des zweiten Weltkiegs geboren worden sein). Sie hauten mir den Hintern (von vorneherein) mit dem Rohrstock erstmal ordentlich voll, sodass er kräftig geschwollen und natürlich feuerrot war. Dann schickten sie mich fort. Die eine bestellte mich für ein paar Stunden später wieder ein, die andere wollte die Nacht vergehen lassen und forderte mich auf, zu einem „strengen Frühstück“ zu erscheinen. In beiden Fällen war mein Hintern dann schon zu Beginn der dann folgenden Nacherziehung ungeheuer schmerzempfindlich, und so war dann auch bei mir von Tapferkeit kaum die Rede …..

    Neugierig und playful wie Du bist, liebe Undine, wolltest Du das auch ausprobieren. Und so hast Du es ja mit mir auch in die Tat umgesetzt – mit großem Erfolg – *schmunzel.

    Jetzt müsstest Du halt diese Erfahrung noch in Dein Tutorial einbauen, nicht wahr? Oder möchtest Du diese Erfahrung erst noch statistisch sichern (und das „n“ noch vergrößern)?

    *frechgrins

    naughtyBoy

  6. Großartiger Artikel!

  7. Hallo Lady Undine,

    ich habe das Tutorial aufmerksam gelesen und ich finde es sehr lehrreich.

    Mich würde interessieren, wie lange nach einem Cold Caning zu warten wäre, bis die Schmerztoleranz wieder auf normal herabgesetzt ist, um dann erneut den Effekt eines Cold Caning zu erzielen.

  8. Das ist wohl bei jedem Flagellaten anders. In meiner Jugendzeit war die körperliche Züchtigung von Jungs noch Standard. Ich fürchtete nichts mehr als den Kochlöffel auf meinem Hintern. Verrückterweise wirkte es irgendwann auch erregend auf mich.Obwohl mich bei einer bevorstehenden Züchtigung Furcht empfand fieberte ich gleichzeitig dem ersten Schlag entgegen. Vor allem empfand ich das „Ritual“ das vor der eigentlichen Züchtigung kam besonders anregend. 1. Die Erklärung warum ich den jetzt den Hintern voll bekomme 2. Die Frage ob ich einesehe das es sein muss
    3. Das ich selbst den Kochlöffel holen mustte fand ich
    besonders erregend
    4. Das Entblösen meiner „Erziehungsfläche“
    5. Das einnehmer der Züchtigungspostion.
    Heute ist das für mich sexueller Lustgewinnm aber dem Kochlöffel bin ich treu geblieben. Er hat mich bis heute beeinflusst und er tut das immer noch. Ich liebe noch immer das klatschende Geraüsch wenn ein hölzerner Kochlöffel auf meine nackten Pobacken trifft.

  9. Ein sehr schöner Artikel…

    Könnte man bestimmt gut für eine Schulstunde einbauen…und wehe man kann die Kordinaten nicht…

  10. Liebe Undine,
    sehr schönes lehrreiches Tutorial.
    Nach den Abbildungen steigt die Schmerzgrenze ja immer weiter an. Bleibt sie ab einem bestimmten Punkt konstant oder sinkt sie dann wieder? Nach meinen Erfahrungen bei langen meditativen Sessions ist letzteres der Fall. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass ich ab einem bestimmten Punkt Schläge mit gleicher Schlaghärte wieder als scherzhafter empfinde.

  11. Pingback:Schmerzhafte Grenzerfahrung • Temple of Pleasure and Pain

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