Vor einigen Tagen habe ich einen Abschiedsbrief bekommen.
Eine e-mail von einem Stammgast, der mir über die Jahre ans Herz gewachsen ist (jepp, so ein Ding haben wir Huren auch!) und der Ende letzten Jahres durch eine Stammtisch-Begegnung eine private Herrschaft gefunden hat. Das zudem noch in einer höchst spannenden Konstellation und in einem harmonischen Zusammenspiel mit seiner bestehenden Partnerschaft. Nun könne er mich leider nicht mehr besuchen.
Wow.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer älteren Kollegin von einigen Jahren, kurz vor ihrem Ausstieg als Domina. Sie war mächtig sauer auf die private SM-Szene, auf die Veranstaltungen und Stammtische, darauf, dass heutzutage doch jeder auch sein Glück im Privaten finden könne und nicht mehr auf uns Dominas angewiesen sei, dass Fetischisten und Crossdresser öffentlich auf Parties herumstolzierten und sich präsentierten statt in Studios zu gehen, und dass früher alles besser gewesen sei und die Profis mehr verdienten.
Kann ja sein. Aber ich will doch gar keine Politik des Mangels betreiben. Natürlich kommen auch Gäste zu mir, die meiner Einschätzung nach keine andere Wahl haben, weil die Art von Sexualität, die sie sich wünschen, kaum in freier Wildbahn zu finden ist. Aber ich fände es ausgesprochen traurig, wenn das die einzige Motivation wäre, Zeit mit mir zu verbringen. Ich finde nichts erstrebenswertes daran, Menschen durch Mangel an Alternativen an mich zu binden. Ich habe keine Angst vor Konkurrenz, weder durch meine Kolleginnen in meinem und in anderen Studios, noch durch in Bordellen und Laufhäusern für weniger Geld arbeitende „Lackmäuschen“, wie sie gern genannt werden, und schon gar nicht durch die private SM-Szene, zu der ich mich ja ausserdem auch noch selbst zugehörig fühle. Neid und Missgunst habe ich, man verzeihe mir mein übersteigertes Selbstbewusstsein, schlicht nicht nötig.
Bisher habe ich noch jeden Gast auf Veranstaltungen der privaten Szene geschickt, bei dem ich den Eindruck hatte, er würde dort glücklich werden, genauso wie ich auch schon davon abgeraten habe, wenn mir die Vorstellungen zu unrealistisch schienen. Und ich habe mich für jeden einzelnen gefreut, der sich von mir verabschiedete, weil er mich nicht mehr brauchte. Noch mehr natürlich über die, die fortan in beiden Welten wandelten, idealerweise mit dem Wissen und Einvernehmen aller Beteiligten. 😉
Lieber H. (ich weiss, dass du das lesen wirst), ich freue mich von Herzen für dich. Du hast es einfach verdient. Schade, dass es ein Abschied ist, ich habe die Zeit mit dir in vollen Zügen genossen. Vielleicht sieht man sich ja mal mitsamt der jeweiligen Entourage auf einer Party – für den Umgang dort bräuchte ich dann allerdings ein Briefing von dir, da ich meine Gäste aufgrund einer spontan einsetzenden Amnesie üblicherweise nicht kenne, wenn ich sie zufällig privat treffe. Das gilt auch für Ex-Gäste.
Einen Wunsch habe ich allerdings noch: Hol irgendwann bei Gelegenheit deine Schlüssel persönlich ab und bring Kuchen für uns beide mit, du kennst ja meine Lieblings-Konditorei … und schreib ab und an, wie’s dir geht.
Liebe Grüße aus Hamburg,
Undine
Hallo Undine
Welch bewegenden Worte. Ich bin platt. Für alle anderen ja ich bin H.
Ich hatte nach meiner Mail mit vielem gerechnet aber nicht mit einem solchen Blogeintrag. Undine du begeisterst mich immer wieder. Gebe zu das ich bei meiner Mail an die Variante dich trotz Herrschaft zwar seltener aber trotzdem weiter zu Besuchen garnicht gedacht habe. Ich bitte um Entschuldigung. Ich komme wieder nach Hamburg das verspreche ich hiermit. (Muß natürlich meine Herrshaften fragen) 😉
Dann komme ich mal zu der alten gewohnten Anrede zurück. Werte Undine ich bewundere und verehre Ihre Art. Danke. Auch für die letzten Jahre. Und bitte behalten Sie die Schlüssel wir werde sie noch brauchen.
Ich noch größerer Hochachtung wie bisher
Heimö
Aww. Ich bin entzückt und freue mich, wie angekündigt, noch mehr. 🙂
Liebe Grüße,
Undine
Hallo Undine, ich finde deinen Beitrag sehr beeindruckend, zutreffend und sehr real zu all dem was du schreibst.
Zu dem Thema Hure/Domina- auch eine Hure ist doch auch nur ein Mensch und ein Mensch hat nun mal Gefühle. Ich glaube viele Dominas meinen davon unbeschadet davon zukommen – wenn es um Ihre Ausübung geht zwischen Gast und Ihr selbst in Bezug was Gefühle betrifft. Hier tuen sich viele Dominas immer wieder sehr schwer sich auch mal einzugestehen – dass sie auch nur ein Mensch, Frau ein Individuum ist . Vorgegeben ist das Ganze doch nur durch die Rolle die Sie – also die Domina – ja immer nach außen bewahren muss, die unnahbare Domina zu sein. Ich glaube dadurch halten sich sehr viele dominante Frauen selber gefangen – sich auch mal fallen zu lassen und auch mal eingestehen bzw. zum Ausdruck bringen sollte – dass da manchmal eben auch mehr ist als nur das reine Business – Domina zu sein – bei einen Gast oder Kunde wo Gefühle mit im Spiel sind.. ich selber habe sehr viel Lebenserfahrung zu dem Thema was du in deinem Forumsbeitrag thematisiert hast und deswegen habe ich mir die Freiheit herausgenommen dir zu antworten. Für mich ist der Job Domina ein Beruf wo viele Frauen menschlich später viel draufzahlen, weil sie nicht parallel investiert haben – sondern sich rein spezialisiert haben Domina zu sein. Ein schleichender Prozeß der die ganze Persönlichkeit der Frau (Domina) prägt – worüber sich viele Dominas überhaupt nicht bewusst sind und rechtzeitig beginnen entgegensteuern….Thomas Koch aus Berlin.