Tanz auf bebendem Parkett

Neulich, bei einem SM-Workshop für Frauen.

Das Thema: „Tu, was du willst“. Wir Teilnehmerinnen sollten also lernen, Hemmungen abzubauen und dem eigenen Trieb zu folgen, statt dem passiven Partner gefallen zu wollen. Jedenfalls war das der offizielle Vorwand. Ich persönlich wollte ja eigentlich nur mit Leuten spielen, die hinterher nicht behaupten konnten, sie hätten nicht gewusst, worauf sie sich einlassen. Und ich war ganz sicher nicht die einzige, die den Seminarcharakter des Nachmittags nicht gar so eng sah.

Nach der obligatorischen Gesprächsrunde über unsere göttlich-dominanten Selbstzweifel, mit deren Inhalt ich den geneigten Leser nicht langweilen möchte, ging es ans Werk. Für den praktischen Teil der Veranstaltung in einem wunderschönen großen Saal mit Parkettboden und offenem Dachgebälk, knisterndem Kamin und ausgewählten SM-Möbeln waren einige überwiegend männliche Opfer von den Damen mitgebracht worden. Und da Frauen als soziale Wesen gern teilen, sollte keiner von uns langweilig werden.

Ich hatte mich meiner Freundin angeschlossen, die, wie es so ihre Art ist, keinerlei Probleme gehabt hatte, an williges Gefolge zu gelangen.

Unser Spielzeug kniete mit nacktem Oberkörper in einer Ecke, den Blick zur Wand, während wir unseren Schlachtplan erstellten. Beide mögen wir martialische Szenarien mit unmittelbarem Körpereinsatz ohne viel Equipment, und ich habe da ja diesen kaum ausgeprägten Fußfetisch, weshalb die grobe Richtung schnell feststand.

Sie trug ein kurzes, enges Kostüm und hohe Stiefel, ich war barfuß mit sorgfältig blutrot lackierten Nägeln in einem bodenlangen, fließenden rosa Abendkleid. Ein Dream-Team.

Der arme Kerl. Ein kurzes Umschmeicheln – ich meine, fast hatte er uns unsere Sanftheit abgenommen. Dann zeigten wir ihm, um wessen Spaß es hier ging. Ihre Stiefel hinterließen mit wenig Aufwand hübsche Abdrücke auf heller Haut, während ich mit bloßen Füßen mit voller Kraft zutreten konnte, ohne mich allzu sehr um die Folgen sorgen zu müssen. Diese Art von Spiel gefällt mir mit zwei Aktiven noch besser als allein – eine hat das Opfer fest im Griff, eine Armbeuge über seinem Kehlkopf und seine Arme mit der anderen Hand hoch auf seinen Rücken gedreht, während die zweite mit kleinen schnellen Tritten die Belastbarkeit seiner Bauchmuskeln testet. Oder: Er auf allen vieren, den Kopf zwischen meinen kräftigen Schenkeln eingeklemmt, während sie seine Kehrseite mit den Absätzen bearbeitet. Wie niedlich, wenn er sich wieder und wieder vor einer zu der anderen flüchtet, kriechend, mit eingezogenem Kopf, nur um vom Regen in die Traufe zu kommen.

Schließlich ließen wir von ihm ab. Ermattet lag er auf dem Rücken, meine Freundin in einem bequemen Sessel daneben, ihre Stiefel auf seinem Gesicht abgestellt.

Nun hatte ich Muße, mich umzuschauen. Nichts als Laster und Unzucht! Ein zierlicher junger Mann, eingeschnürt in ein enges Korsett, in Nylonstrümpfen und auf hohen Schuhen, servierte seiner schönen, streng dreinblickenden Herrin ein Getränk. Über den Bock gebeugt empfing ein anderer die klatschenden Schläge einer schweren mehrschwänzigen Peitsche, die eine Amazone mit langen, wilden Locken und wadenhohen Kampfstiefeln austeilte. Auf der anderen Seite des Raumes lag ein besonders bedauernswerter Delinquent auf dem Rücken, umringt von drei hämisch kichernden Frauen, eine vierte hockte breitbeinig auf seinem Gesicht, seine pralle, eingeölte Erektion in ihrer Hand. Die Komplizinnen sprudelten über vor derbster Demütigung über die allzu leichte Manipulierbarkeit des männlichen Geschlechts.

Szenen wie aus SM-Pornos. Das ist es also, was aktive Frauen tun, wenn sie tun sollen, was sie tun wollen? Das glaubt mir doch wieder keiner, wenn ich das erzähle!

Mein Blick schweifte zurück zu meiner Freundin in ihrem Sessel und ihrer sich wohlig räkelnden lebenden Fußbank. Glaubte der etwa, das schlimmste sei schon überstanden?
Ich war noch lange nicht fertig.

Ein nackter Fuß auf seinem Bauch, sanft tastend, tiefer einsinkend. Gewicht wieder wegnehmen, den Fuß auf den Oberschenkel. Langsam wandern die Zehen höher, spüren durch den engen Stoff der Hose, dass das Vergnügen trotz bester egoistischer Vorsätze offenbar doch nicht ganz einseitig ist. Sowas aber auch. Pro forma ein tadelnder Blick. Mein Fuß unter seinen Rippen rollt ihn auf den Bauch. Wieder Gewicht auf seinen Schenkeln, auf seinem Hintern. Ein Fuß. Belasten. Der zweite folgt. Ein Stöhnen von unten. Schmerz, Anstrengung, Lust? Alles davon, nehme ich an, und gleichzeitig.

Ich breite die Arme aus, finde meine Balance. Verlagere meine Gewicht auf einen Fuß, dann auf den anderen, teste die Konsistenz der Muskeln. Ein Fuß hoch. Pause. Schritt. Ein Stöhnen.

Ich stehe auf seinem Hintern, wippe auf und ab. Kralle die Zehen in seine Backen, erhebe mich auf halbe Spitze. Lasse mir Zeit. Dann ein plötzlicher Sprung, wie wunderbar er erschrickt, doch ich lande sicher über ihm, die Füße rechts und links seines Kopfes. Läge er nicht auf dem Bauch, wüsste er jetzt, was ich unter meinem Abendkleid trage. Oder vielmehr: was nicht.

Ich stelle mich seitlich, weise ihn an, sich wieder umzudrehen – ich will ihm in die Augen sehen.
Erneutes Besteigen der Oberschenkel, Balance, Schritt, ein Fuß in den unteren Bauch. Ein Flüstern: „Entspann dich. Ich bleibe sowieso so lange stehen, bis deine Muskeln versagen.“ Ich spüre, wie der Untergrund weicher wird und sehe den Schmerz und die Hingabe in seinen Augen. Ich schwanke ein wenig und halte mich an der sogleich hilfreich ausgestreckten Hand meiner Freundin. Wir lächeln einander an, küssen uns.

„Kannst du da oben eigentlich auch Hip-drops machen?“ fragt sie. Oh wow. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wieso ich noch nie von selbst auf diese brillante Idee gekommen bin. Schließlich tanze sich sonst auch überall, wo ich stehen und laufen kann. Orientalisch-ägyptisch übrigens. Die Sache mit den schwingenden Hüften.

Ich stelle die Füße parallel auf seine Beckenknochen („hüftbreit“, sagt meine Trainerin immer, wie passend) und beginne mit meinem Becken weiche Achten und Kreise zu beschreiben, vertikal, horizontal, sagittal, die Arme in der fünften Ballett-Position in anmutigem Bogen über meinem Kopf erhoben. Ganzkörperwellen abwärts, eine nach der anderen, die Augen geschlossen, zum Rhythmus der Musik in meinem Kopf. Das Zittern meiner Unterlage bringt mich zurück in die Realität. „Oh prima, Shimmies also?“ grinse ich, und fange an, mein Becken in gleichmäßig schnellem Tempo vibrieren zu lassen, die Arme dazu in bedrohlich sanften, schlangenhaften Bewegungen, eine Medusa mit irrem Lachen, ihr Opfer zu Stein erstarrt.

Schritt und Stellungswechsel, den rechten Fuß auf seinem Becken, zu seinem Glück nur fast mittig, den linken aufgestellt auf halbe Spitze nach vorn auf seinem Brustkorb. Rechter Arm oben, linker Arm schräg nach unten gestreckt: die Grundhaltung für die bestellten „Hip-drops“. Jetzt ein scharfer Akzent mit der linken Hüfte nach unten, der Mann unter meinen Füßen winselt und jault, wieder und wieder lasse ich ihn die Beschleunigung meiner reichlich vorhandenen und geschmeidig beweglichen Masse spüren, hart abgebremst durch seine zerbrechlichen Rippen, bis er panisch hyperventiliert. Ich tanze auf ihm, er zuckt unter mir, mein Rhythmus, meine Lust, alles andere ist mir egal. Tanzen ist Sex mit der Musik, sagt meine kluge Freundin immer – auf wieviele Arten gleichzeitig ich dann hier gerade wen oder was ficke, will ich lieber gar nicht wissen.

Erst als physisch und psychisch wirklich Schluss ist bei ihm, steige ich endgültig ab, atemlos und geil.

Die Freundin übernimmt die Nachsorge. Er darf sich zu ihren Füßen vor dem Sessel zusammenrollen, zur Ruhe kommen, sie streichelt seinen Kopf, den er auf ihren Stiefelspitzen abgelegt hat. Später wird er sich bei uns beiden Egoisten in Ausbildung noch aufs herzlichste bedanken – offenbar haben wir wieder nur passive Begierden vollumfänglich bedient. Verdammt.

Mein eigener Kopf ist noch ganz woanders. Ich spähe umher, bin auf der Jagd. Nicht weit von unserem Spielplatz sitzt die Amazone am Boden, ihren inzwischen fast nackten Gefährten mit hochgerecktem glühenden Po bäuchlings über ihren Knien. Was für ein leckerer Anblick. Ich suche ihren Blick, neige den Kopf zur Seite, schaue fragend. Sie nickt. Wir lächeln beide. Ich pirsche mich an. Der Rausch geht weiter.

3 Kommentare:

  1. Beim Lesen hatte ich das Gefühl wahrhaftig dabei gewesen zu sein – am Ende des Textes meine ich sogar die platzende Blase gehört zu haben 🙂

    Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, Undine!

    Tom

  2. Ok, es gibt also doch ein Paradies, wenn es auch unter dem etwas profanen Namen „SM-Workshop für Frauen“ daherkommt.

    Nächste Frage: In welcher Kirche muss ich beten, um da mal hin zu kommen?

    😉

    —Prima, dass du in letzter Zeit wieder mehr schreibst–wie immer sehr schöne, spannende Texte!

  3. „Später wird er sich bei uns beiden Egoisten in Ausbildung noch aufs herzlichste bedanken – offenbar haben wir wieder nur passive Begierden vollumfänglich bedient. Verdammt.“

    *kicher*

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