Alice Schwarzer und ihre wehrhaften Opfer

Was das mit uns zu tun hat …?

8 Kommentare:

  1. Auf die Gefahr hin, dass viele der Blog-Leser es schon kennen, hier ein Ausschnitt aus der Podiumsdiskussion mit Alice Schwarzer 😉 Ich habe es nicht selbst aufgenommen, nur bei YouTube gefunden. https://www.youtube.com/watch?v=BrchJydsgsg

  2. Oh ja, die bulgarische Kollegin war klasse: „Ich arbeite seit drei Jahren in einem Laufhaus in Berlin, vier Jahre im Artemis, sechs Jahre in einem anderen Laden. Ich hab noch nie eine Bulgarin getroffen wie die, von denen Sie sprechen. […] Wie findet man die, wo treffen Sie diese Frauen?“

    Wenn schon keiner den superprivilegierten deutschen Akedemikerinnen-Dominas ihre Protitutions-Glorifizierung abnimmt, weil die ja sowieso nicht wissen, wie groß das Elend wirklich ist, vielleicht glaubt man dann ja so einer? Ach nein, ich vergaß – die ist bestimmt entweder einem Zuhälter hörig, hat ein Stockholm-Syndrom oder wird von einem Bordellbetreiber für das bezahlt, was sie da faselt. Man weiss ja, was die alles machen müssen für Geld, die Migrantinnen, die armen … ist schon okay, die tapfren Retterinnen helfen dir bestimmt bald, da rauszukommen und endlich ein normales Leben zu führen.

    • Das ist schon ziemlich krass und diskriminierend. Und unglaublich traurig, wenn man bedenkt, dass die Frauenbewegung damals ja eigentlich gut und nötig war. Aber was da gerade bei Frau Schwarzer passiert, halte ich für unglaublich bedenklich. Es wird nicht nur Moral, sondern auch Fremdbestimmung propagiert. Wenn heute eine glückliche, zufriedene Sexarbeiterin ihren Beruf niederlegen muss, weil sie „nicht weiß, dass sie eigentlich leidet“, dann werden morgen viele, viele Menschen eingewiesen, weil sie sich auf unterschiedlichste Art und Weise schädigen könnten, es aber selbst nur nicht wissen. Es mag ein bisschen übertrieben sein, was ich da gerade von mir gebe… Es ist nur so frustrierend, wie eine Frau, die fest davon überzeugt ist, für Freiheit und Würde einzustehen, die Straße für Kontrolle und Diskriminierung teert.

  3. Auch glorreich: heute spricht mich eine Kollegin vom Straßenstrich am Steindamm an. Sie hatte mich bei Stern TV gesehen. Dort wurde ich ja auch eingehend über mein Wochenende im Laufhaus befragt. „War das da echt so schlimm?“ fragt sie mich. „Du arme!“

    Oh Mann. Ich wünschte, ich könnte die alle vor die Kameras zerren …

    • Der heutige MOPO-Artikel ist auch ein schönes Beispiel für die Zweischneidigkeit der Medienaufmerksamkeit: Im Grunde steht kaum Substantielles darin, bzw. nichts, was nicht anderswo in weitaus höherer Qualität behandelt worden wäre. Das Ganze ist so formuliert, dass sich die gesamte Leserschaft mit allen Meinungen und Voreingenommenheiten darin wiederfinden kann. Eine deutliche Position wird nicht bezogen. Als Leser kann ich zustimmen oder mich entrüsten (wem oder worüber auch immer)- nunja, immerhin machen solche Ausflüsse des Pressewesens deutlich, dass verschärftes Selberdenken immer noch der beste Weg zur Erkenntnisgewinnung ist. Der Artikel wäre wahrscheinlich auch nicht besser geworden, wenn man statt des (natürlich äußerst „nett“ anzusehenden) 2/3-seitigen „Symbolbildes“ etwas mehr Text gebracht hätte.

      Ich glaube, dass es wichtig ist, dass noch viel mehr SexworkerInnen aus allen Bereichen der Branche an die Öffentlichkeit treten, damit ein repräsentatives Bild entsteht. Dies würde sich auf die Qualität der medialen Bereichterstattung sicherlich äußerst positiv auswirken.

      Ich als bloßen Freier und damit Außenstehender glaube, dass es für den neuen Berufsverband zurzeit mindestens genauso wichtig ist, Breitenwirksamkeit sowohl innerhalb der Branche zu erreichen (und damit viel mehr SexworkerInnen eine Stimme zu geben) als auch in der Außendarstellung und Auseinandersetzung mit anderen Positionen.

      • Die Breitenwirkung innerhalb der Branche ist nicht mal das Hauptproblem, sondern die Stigmatisierung und die damit einhergehende Kamerascheue. Auf der Veranstaltung, auf der das MoPo-Foto entstanden ist, hat zum Beispiel eine polnische Kollegin mit mir dieselbe Position vertreten, sie wollte bloss keine Presseportraits machen lassen. Und in Bunti-Bunti-Medien ist das wie bei Facebook – wenn’s keine Fotos davon gibt, ist es nicht passiert.

        • Völlig richtig- wahrscheinlich ist es so, dass für die verschiedenen Argumentationsebenen unterschiedliche Kommunikationskanäle geeignet sind. Diese Ebenen umfassen menschliche Sexualität insgesamt, sexuelle Dienstleistungen, die Motivation, solche zum Broterwerb zu machen, Geschlechter- und Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft, und, und, und…

          Es gibt so viele Aspekte, die allesamt diskurswürdig sind und da die Voreingenommenheiten in vielen Köpfen ebenso vielfältig sind, braucht man auch eine entsprechend komplexe Argumentation. Nun finde ich eben dafür den MoPo-Artikel wenig hilfreich, weil er gar zu viele Möglichkeiten bietet, genau die eigenen Ansichten weiter zu zementieren und eben nicht differenziert zwischen Sexualität als Dienstleistung, den Arbeitsbedingugen in der Branche und kriminellen Vorgängen, die einfach in marktwirtschaftlichen Strukturen existieren.

          Ich finde, dass die durch die Medien gewollte oder vielleicht einfach so entstandene Polarisierung zwischen privilegierten Edelkurtisanen auf der einen und einer angeblichen Masse unmündiger, zwangsprostituierter Opfer auf der anderen Seite eines der größten Hindernisse einer sachlichen Diskussion ist. Genau daran ändern solche MoPo-mäßigen Artikel aber rein gar nichts.

          • Eigentlich müsste doch ein Blick in die Blog-Diskussionen hier reichen, um nicht nur das „Freierbild“ gehörig aufzupolieren. Selten erlebt man so eine sachliche, differenzierte Diskussionskultur wie zum einen hier jetzt gerade und zum anderen in den Veröffentlichungen beispielsweise vom Dona Carmen e.V.
            Gut, das bedeutet nicht, dass im Umkehrschluss Sexarbeiter und deren Gäste grundsätzlich besser streiten können als alle anderen. Aber es widerlegt eben das Bild vom grundsätzlich und sowieso immer ungebildeten Sexarbeiter/Gast, der selbst nicht weit genug denken kann, um seine Lage zu verstehen.

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