BDSM und Tantra – ein Gegensatz?
Mit Tantra verbindet mich ja schon seit langer Zeit eine gewisse Hassliebe. Einerseits kann ich als bekennende Physikalistin dem häufig doch recht esoterisch anmutenden Beiwerk wenig abgewinnen und es fällt mir schwer, entsprechende Texte und Anleitungen zu lesen oder mich mit manchen Tantrikern zu unterhalten. Andererseits weiss ich aus eigener Erfahrung, wie bereichernd und erfüllend sich eine Verbindung zwischen zwei (oder mehr) Menschen anfühlt, die sich ganz im Flow des Hier und Jetzt begegnen. Wenn mir Tantramasseurinnen von ihrer praktischen Arbeit erzählen, denke ich ganz oft: Eigentlich tun wir beide dasselbe, nur manchmal mit unterschiedlichen Mitteln. Offenbar hat das moderne Tantramassage-Ritual mit uralten indischen Lehren ohnehin überhaupt nichts mehr zu tun und ist daher auch ganz ohne religiösen Überbau erlebbar. Ich habe schon Tantramassagen für mich selbst gebucht und fand sie wunderbar. Und spätestens, als ich vor einigen Jahren einen „Kinky Twisted Tantra“-Workshop bei der unvergleichlichen Barbara Carrellas besucht habe, wurde mir klar: Der Gegensatz, der ist keiner.
Der erotische Flow, sich selbst (und den Partner) zu spüren, vom Denken ins Fühlen zu kommen, ist zugleich Ziel und Grundlage jeder sexuellen Betätigung. Rituale können helfen, in eine solche erotische Trance einzutauchen. Ebenso die zuvor abgesprochene Aufteilung in einen aktiven, gebenden und einen passiven, empfangenden Partner (mit oder ohne späteren Rollentausch). Beides sind sowohl in der Tantramassage als auch im BDSM wichtige Elemente. Eine Rücken- und Po-Massage kann bruch- und nahtlos in eine Klopf-, Klatsch- und Spanking-Session übergehen. Der schwere Stock wird zum Instrument der entspannten Tiefengewebestimulation. Und umgedreht, auf dem Rücken liegend – wo hört die Intimmassage ohne Zeitdruck auf, wo fängt „Tease and Denial“ an? Bin ich als passiv Empfangender den Berührungen meiner Masseurin ausgeliefert, oder diene ich als Massierende aktiv?
Alles eine Frage der Interpretation. Und die findet bekanntlich im Kopf statt, weshalb ich finde, dass bei der klassischen Tantramassage ein ungeheures Potenzial verschenkt wird. Die wird nämlich schweigend vollzogen. Was natürlich ermöglicht, dass sich die Beteiligten ganz auf ihre Sinne und Empfindungen konzentrieren – aber auch genauso gut auf den Menüplan der Kantine in der nächsten Woche. Es fehlen Worte, die Bilder erzeugen, Phantasien, Empfindungen, Entspannung, Erregung; die Macht der Suggestion … als leidenschaftliche Hypnotiseurin, als sprichwörtliche Sirene fällt es mir ungeheuer schwer, den Mund zu halten, wenn es doch so einfach ist, mit Silben Denken zu formen und Menschen durch ein Flüstern genau dorthin zu führen, wo sie so gern sein möchten.
Damit sind wir beim dritten Element. Streicheln mit Händen und Öl, mit Federn und weichen Kuschelpeitschen, mit Fäusten und Escrima-Stöcken, die Druckwellen durch das Becken genießend; Eis, Wachs, ein Nadelrad, Mentholsalbe, ein Lufthauch und dazu: Worte. Worte, die Wellen der Entspannung durch den Körper fließen lassen, bei jedem Atemzug, von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen und darüber hinaus. Worte, die Stellen berühren, die tiefer liegen als Haut und Muskeln, die in dein Innerstes schlüpfen und in kleinen Spiralen in dir aufsteigen, bis sie du sie als wohliges Stöhnen wieder ausatmest. Wo Fesseln oder Augenbinden Berührungen von Händen im Weg wären, ersetzt dein Gedanke durch mein Wort die Fixierung. Ausgeliefert durch mein Wort schicke ich dich in deine persönliche Lieblingsphantasie, die real wird, während meine Hände dich wieder und wieder reizen und locken und zappeln lassen und es nichts gibt, was du tun kannst, um der Qual deiner unermesslichen Gier zu entkommen …
Ich weiss bis heute nicht, wie ich das ganze eigentlich nennen soll. Tantra-Massage mit SM-Elementen und Quatschen? Bizarre Hypno-Massage? Für Vorschläge wäre ich dankbar … Fest steht allerdings eins: Die Nummer ist wirklich ziemlich großartig. Das erkenne ich erstens glasklar am völlig verstrahlten Blick meiner armen Opfer, und zweitens an mir selbst. Da es mir nämlich völlig unmöglich ist, dabei nicht mit in Trance zu gehen und jede Regung meines Gegenübers empathisch zu spiegeln, bin ich am Ende genauso fertig und berauscht und voller strahlender Energie wie das bedauernswerte Wesen, das ich da gerade ein, zwei, drei Stunden durch die Mangel gedreht habe. Probiert es aus! 🙂
Hallo Undine,
als oller Agnostiker bin ich im Vergleich zu dir ein philosophisches Weichei, aber auch ich habe so meine Schwierigkeiten mit wohlfeilen esoterischen Welterklärungen, die so esoterisch ja nun auch wieder nicht sind, da man gar nicht groß suchen muss, um auf sie zu stoßen und sie überall verkündet bekommt. Die blumigen Metaphern sind schon gar zu putzig und dir als Physikerin drehen sich bestimmt sämtliche Piercings herum, wenn du mal wieder etwas von „Energie“ hören musst, die von irgendwoher kommt und sich irgendwie im Körper breitmacht und zwar sanft, aber mächtig. Vielleicht ist auch noch Erzengel X oder Aufgestiegener Meister Y mit von der Partie. Ach übrigens, die Indianer wissen ja auch schon seit Urzeiten …
Allerdings- vieles von diesem Schwurbelkram basiert auf Erfahrungen, die Menschen mit ihrem Empfindungsapparat gemacht haben und manches ist wohl auch tatsächlich recht alt, wenn auch oftmals nicht so konkret fassbar, wie die Eso-isten es gerne hätten. Es wäre schon eine anthropologische Sensation, bekämen wir heraus, wie die Leute in prä- oder sonstwie historischen Kulturen denn wirklich so getickt haben.
Nichtsdestotrotz, hat der ganze Kram mit Menschen und der menschlichen Natur zu tun. Viele der naturwissenschaftlich absurden Vorstellungen, allen voran die seltsamen Energiekonzepte, funktionieren gut, begreift man sie als Modellvorstellungen für Vorgänge und Mechanismen, die im Körper ablaufen und die (zumindest bislang) nicht zu fassen, zu messen oder in lückenlose kausale Zusammenhänge zu stellen sind. Man spürt ja tatsächlich so manches. Ich selbst habe mich halbwegs intensiv in Theorie und Praxis in esoterischen Gefilden umgetan und muss sagen, die Bilder von Energien, Farben und was da sonst noch so fließt, passen ziemlich gut zu den Körpergefühlen, die einem so unterkommen. Und damit spielen kann man auch: Hier etwas intensivieren, da eine Farbe ändern, und schon fühlt sich’s wieder ganz anders an. Je nach Körperregion kann das manchmal ziemlich … nun ja, anregend sein. Ob dabei irgendetwas Immaterielles, Nicht-Messbares eine Rolle spielt, ist mir ziemlich egal. Vielleicht kriegt man heraus, was es denn nun ist, vielleicht nicht. Nachforschen sollte man, um die Grenzen der menschlichen Erkenntnis wenigstens ein Stück weiter auszudehnen; wie eingangs gesagt, ich bin ein philosophisches Weichei.
Und damit jetzt endlich mal zur Erotik. Wenn’s darum geht, ist für mich so ziemlich alles Eins. Fast schon esomäßig. Es gibt keine feste Grenze zwischen Vanilla und BDSM, denn wer einen wirklich befriedigenden Orgasmus will, muss sich hingeben: Einem Gefühl, einer Vorstellung, einer Person oder wem auch immer. Für einige Augenblicke des Kontrollverlusts, des Sich-Fallenlassens ist man doch in jedem Fall ein Sub, gibt man sich doch letztendlich den Reflexen des eigenen Körpers hin. Unterwerfung beginnt nicht erst mit Fesseln und Augenbinde.
Ich mag auch keine bestimmte Praktik von vorneherein der Vanilla- oder Bizarrecke zuordnen. Man kann jemanden in die Willenlosigkeit knutschen wie auch ganz zärtlich mit Nadeln necken: Es kommt auf die Intensität der Reize und die Absicht hinter der Handlung an. Auch ganz ohne Berührung geht es: Alle Elemente menschlicher Interaktion können zur Einflussnahme genutzt werden (gibt es überhaupt Interaktion ohne Einflussnahme?); dabei denke ich beileibe nicht nur an Hypnose. Undine, könnte es sein, dass du beim Verfassen deines Postings auch gewisse Hintergedanken bezüglich der Wirksamkeit hattest? Na, erwischt? Dein Text liest sich nämlich seeeeehr angenehm …
Hier noch ein paar Situationen aus meinem Leben, die ich ganz vorzüglich erotisieren konnte: Eine leidenschaftliche Diskussion oder eine Partie Schach gewinnen oder verlieren (brain power!), jemandem bei einer anspruchsvollen Tätigkeit zusehen (Kompetenzfetisch!), nach einer OP aufwachen und feststellen, von einem Team junger Ärztinnen aufgeschnitten und wieder zugenäht worden zu sein (das war vielleicht ein unverhoffter Kick!) …
Ein so richtig saftiges sexuelles Sprachstimulans war für mich übrigens deine Antwort in einem sogenannten „Interview“ eines Internet-Erotikportals auf die Frage, mit welchem Körperteil du denn am besten umgehen könntest: „Mit dem Gehirn. Meinem und deinem.“ Wow.
Ich glaube nicht, dass es ein neues Etikett für die Kombination aus Tantra und BDSM braucht. Alles ist Tantra, alles ist BDSM, alles ist geil. Im Übrigen einfach ins Studio Rex gehen und die Sexualität feiern. So einfach ist das.
Viele ganzheitlich-geile Grüße
Markus
Ja, wie soll man das nennen? Wir BDSM’ler haben ja eine Vorliebe für geheimnisvolle Abkürzungen. Ich kann mich durchaus als zukünftiger TMSMQ-Fetischist vorstellen 🙂 Glaube eigentlich auch, dass ich schon eine Variante davon im Studio Rex erlebt habe… und das war bestimmt empfehlenswert!
„Tantra-Massage mit SM-Elementen und Quatschen“
Top! Würde ich unter dem Namen sofort buchen. Aber ich glaube, ich bin da nicht normal … *grins* Für den Normalkunden muss es wahrscheinlich eher etwas wie „Tantramassage mit intensiv-sensorischer Stimulation und erotischer Verabalität“ sein …
Gruß aus München,
Max
Tantra, BDSM und Hypnose: Eine einzige Bezeichnung ist da schwer zu finden.
Die Möglichkeiten sind zu vielfältig.
– Kombination von tantrischen Atemtechniken mit der Verarbeitung von Schmerzen
– Shibari in einer rein liebevollen, feierlichen Massage
– Unterwerfung als Bestandteil des tantrischen Wegs. Wenn mein Bedürfnis mich zu unterwerfen
so stark und erfüllend ist, ist das der Weg auf dem ich mich wirklich erfahren kann.
Mehr noch: Die Reduktion auf mein Dasein als Sklave, ist eigentlich etwas sehr Tantrisches:
Vieles von dem, was wir nach außen zeigen, unsere erlernten Verhaltensmuster, mit denen wir uns
behaupten, sind Masken und Schutzmechanismen. BDSM bietet einen Raum, diese Masken abzulegen.
Hypnose kann tantrische Räume ergänzen,
– um eine emotionale Verbindung herzustellen oder ein gemeinsames Kopfkino herzustellen.
– um Empfindungen von Lust im ganzen Körper erfahrbar zu machen
Und das ist erst der Anfang…
Ich muss zugeben, dass mich die Frage nach dem Namen nicht losgelassen hat.
Um ehrlich zu sein, fühle ich mich von Begriffen wie „Bizarrmassage“
oder „SM-Elementen“ nicht angesprochen.
Aber einen Gegenvorschlag zu machen, fällt mir schwer:
Insbesondere wäre ein Name am Besten, der Programm ist,
aus dem man gleich ablesen kann, worum es geht.
Mit dieser Erwartungshaltung habe ich mich sehr schwer getan.
An inneren Bildern sind mir Worte wie „Träume“,
„Grenzen“ (innere, äußere und Grenzen des Genres),
ebenso wie Welten durch den Kopf gegangen.
Eine Lösung habe ich nicht gefunden.
Mir persönlich würde „Undines Reise“
als Begriff gefallen:
Denn für mich ist es ein sehr persönliches Erlebnis,
das gemeinsam entdeckt werden muss, wie
man auf einer Reise einen fremden Ort
vor allem durch eigene Augen, eigene Empfindungen
und Erlebnisse erfährt. Reise kann steht auch für „Reise nach Innen“
oder „Reise in eine andere Welt“, was sich mit allen drei Disziplinen gut verbinden lässt.
Was in den Hintergrund tritt, ist das Genre und die festen Vorstellungen davon
(etwas, was Du schon in den ersten Worten auf Deiner Homepage beschreibst),
dafür eine Reise, die sehr von Deinen ganz besonderen persönlichen Fähigkeiten lebt,
und in der die Verbindung zu Dir ein ganz zentrales Element ist.
„hypnotisches Hardcoretantra“ kurz „HHT“ 😉