Die Session ist vorüber … Zeit, deine Wunden zu lecken.
Kurz vorweg: Selbstverständlich hinterlässt nicht jeder Besuch bei einem BDSM-Profi Blessuren. Schmerzspiele sind nur ein kleiner Bereich des bunten Gartens unserer Perversionen, und selbst von eingefleischten Masochisten werden sichtbare Spuren als eines der häufigsten Tabus genannt. Eine erfahrene Lady kennt zahlreiche Praktiken, Varianten und Tricks, um Blessuren zu minimieren oder ganz auszuschließen.
Solltest du zu denjenigen Passiven gehören, für die Spuren kein Problem sind, und vor allem, wenn du heftigere Formen von BDSM magst, kann es nötig sein, zum Schutz deiner Gesundheit etwas Nachsorge zu betreiben. Und auch Praktiken, die auf den ersten Blick harmlos scheinen, können Nebenwirkungen haben, die mit der richtigen Pflege deutlich schneller vegessen sind.
Im folgenden habe ich einige Nachwirkungen von BDSM-Sessions und ihre Behandlung aufgeführt. Wir immer erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und freue ich mich über Ergänzungen.
Versorgung von Verletzungen der Haut:
Hier ist in erster Linie eine Wundinfektion zu vermeiden. Dies bevorzugt bereits bei der Erzeugung der Wunde durch eine Vor-Desinfektion der unverletzten Haut mit einem geeigneten Haut-Desinfektionsmittel (Einwirkzeiten beachten!) und Verwenden von sterilen Instrumenten (auch beim Spanking). Auch ein wirksamer Tetanus-Impfschutz ist immer eine gute Idee, nicht nur für SMer.
Als Antiseptikum zur Wundversorgung hat sich Betaisodona als Salbe oder Lösung bewährt. Bei Jod-Unverträglichkeit ist ein octenidinhaltiges Antiseptikum (Handelname Octenisept) eine gute Alternative. Natürlich lassen sich auch diverse alkoholhaltige Antiseptika verwenden – der dadurch ausgelöste brennende Schmerz ist im Rahmen einer SM-Session nicht unbedingt ein so großer Nachteil wie in einer Arztpraxis. 😉
Nach der Desinfektion sollte die Wunde mit einer sterilen Auflage abgedeckt und möglichst wenig (z.B. durch Sitzen auf dieser Stelle) belastet werden.
Die Wunde solltest du bis zur vollständigen Abheilung trocken und den Wundschorf intakt halten – also möglichst selten und nur kurz duschen, Wannenbäder, Schwimmbad und Sauna unbedingt vermeiden. Ein Verbandswechsel sollte alle ein bis zwei Tage erfolgen. Falls die Stelle nicht vollständig trocken gehalten werden kann, ist es sinnvoll, den Verband vor der Dusche zu entfernen, danach die Stelle mit einem sauberen Tuch abzutupfen und anschließend den Verband inklusive Antiseptikum mit einer frischen Wundabdeckung zu erneuern.
Den Verbandswechsel kannst du selbst durchführen, oder vielleicht auch einen „Nachsorge-Vertrag“ mit der grausamen Verursacherin deiner Leiden abschließen.
Versorgung von Hämatomen:
Hämatome, auch Blutergüsse genannt, sind Einblutungen ins Gewebe durch verletzte Blutgefäße, verursacht durch einen Stoß oder Schlag. Oberflächliche Hämatome werden als „blaue Flecken“ sichtbar, manchmal sofort, manchmal auch erst einige Stunden nach dem Trauma. Tiefer liegende Einblutungen ins Muskelgewebe sind oft nicht sichtbar, sondern nur als Schwellung und Verhärtung spürbar. Eine Behandlung ist nicht notwendig, es gibt aber einige Möglichkeiten, die Hämatome zu minimieren, falls du das möchtest.
Direkt im Anschluss an die Session kann Kühlen und Hochlagern der entsprechenden Stelle das Einbluten in das Gewebe vermindern. Kühlung ist bis zu 24 Stunden nach dem Spiel sinnvoll.
Bei einer normalen Blutgerinnung sind spätestens nach etwa 24 Stunden die Blutgefäße wieder soweit intakt, dass du den Abbau des Blutes im Gewebe durch Wärme und sanfte Massagen unterstützen kannst. Ab etwa zwei Tagen nach der Session kann man blaue Flecken statt einer Massage durch sanftes bis mittelheftiges Spanking regelrecht „herausklopfen“.
In seltenen Fällen können sich größere Hämatome verkapseln und müssen dann chirurgisch „ausgeräumt“ werden. Sollte die Stelle zunehmend schmerzhaft werden oder sich innerhalb von ein bis zwei Wochen keinerlei Anfänge eines natürlichen Abbaus eingestellt haben, rate ich zu einem Arztbesuch, um die Möglichkeit einer Verkapselung abzuklären.
Nervenschäden:
Nervenschäden sind eine regelmäßige Nebenwirkung von zwei BDSM-Praktiken: Spanking und Bondage.
Beim Spanking ist das zeitlich begrenzte Betäuben der Nervenenden durch Überreizung in der behandelten Region ein erwünschter Aspekt des „Aufwärmens“ – anschließende härtere Schläge sind dadurch oberflächlich weniger schmerzhaft, und du kannst die Druckwellen durch das Becken intensiver genießen. Bei häufigen, harten Flag-Sessions sind diese Nervenschäden allerdings immer weniger temporär – es entwickelt sich der sogenannte „Leather Butt“ („Lederarsch“), eine verdickte, dauerhaft unempfindliche Haut am Po, die in einer Flag-Session schneller aufplatzt als schmerzt. Diese Entwicklung findet über Jahre statt und braucht einen Anfänger zunächst nicht zu sorgen. Dennoch sollte man das Phänomen im Hinterkopf behalten.
Notorisch nervenschädigende Instrumente sind schwere, großflächige Paddles und Klatschen. Nicht umsonst sind genau diese Teile auch besonders beliebt zum Aufwärmen. Ich persönlich vermeide sie als Passive seit Jahren, wodurch sich eine bereits eingetretene Desensibilisierung inzwischen fast wieder normalisiert hat.
Bei einer Bondage entstehen Nervenreizungen und -quetschungen durch Abschnüren des Nervs. Am „beliebtesten“ sind taube Daumen- oder Kleinfinger-Ballen der Hand durch eine Nervenquetschung am Handgelenk, sowie die „Fallhand“, eine Lähmung durch Schädigung des Radialis-Nervs im Oberarm bei japanischer Hängebondage.
Um Nervenschäden in einer Bondage von vornherein zu vermeiden, ist neben der Wahl des Equipments (z.B. Hängefesseln statt normaler Manschetten bei Zug auf Hand- oder Fußgelenke, Handschellen nur kurzzeitig und ohne Zug oder Gegenwehr) und einer ausgefeilten Technik bei Seilfesselungen eine gute Kommunikation unerlässlich – der Passive sollte bescheid geben, sobald ein Körperteil „einschläft“, auch wenn’s gerade noch so geil ist. Der Aktive sollte damit rechnen, dass der Passive im Erregungszustand die Signale seines Körpers gerne mal ignoriert, und bei riskanten Stellungen wie im Stehen nach oben gefesselten Händen regelmäßig explizit nachfragen.
Um zum Thema „Nachsorge“ des Artikels zurückzukommen: Bei verletzungsbedingten Nervenschäden gibt es leider kaum Behandlungsmöglichkeiten. Eine Kühlung direkt nach der Quetschung kann helfen, u.U. sind therapeutische Maßnahmen wie eine (echte, bei einem Facharzt!) Reizstrombehandlung möglich – der Erfolg ist allerdings ungewiss.
Alles in allem ist die Heilung von Nervenschäden eine Frage der Geduld. Es kann Wochen, manchmal Monate dauern, bis sich alles wieder normal anfühlt, aber im allgemeinen regeneriert sich der Nerv von allein. Insbesondere das häufig nach einem ersten „harmlosen“ Fesselsex-spielchen mit Handschellen anhaltende Taubheitsgefühl in den Handballen kann bei den Beteiligten zu Besorgnis führen, ist allerdings nur temporär und in einigen Wochen vergessen. Bedauerlicherweise werden Handschellen oft von Bondage-Einsteigern für ein geeignetes Utensil gehalten, sind aber tatsächlich eher etwas für Fortgeschrittene und Profis (aktiv wie passiv).
Nachsorge nach Praktiken:
Spanking:
- Hämatome: siehe oben.
- Blutende Wunden: Treten vor allem durch scharfkantige Rohstock-Enden (rundfeilen!) und dünne Bullwhip-Cracker auf. Versorgung siehe „Verletzungen der Haut“.
- Nässende Wunden: Heilen oft schlechter ab als blutende Wunden und sind meist großflächig. Hier ist ganz besonders auf Sauberkeit und sorgfältige Wundversorgung zu achten.
Bondage
Bondage scheint zunächst eine harmlose Spielart zu sein, ist aber inbesondere aufgrund der häufig auftretenden Nervenschäden bei Anfängern und gelegentlich auch bei Experten tatsächlich eine der unfallträchtigsten BDSM-Praktiken.
- Petechien: Viele stecknadelkopfgroße Einblutungen, verursacht durch geplatze Gefäße beim Blutstau durch enge Seile oder Riemen. Behandlung ggf. wie Hämatome. Petechien treten u.U. auch im Gesicht auf beim Aufhängen über Kopf.
- Rote Striemen durch eng einschnürende Seile oder Riemen, besonders durch eingeklemmte Haut bei doppelter Seilführung. Behandlung ggf. wie Hämatome.
- Nervenschäden: siehe oben.
- Schürfwunden: Beim heftigeren Zappeln in locker sitzenden Fesseln (besonders Manschetten und Handschellen) können Schürfwunden auftreten, ebenso durch Reibung auf dem Untergrund (aufgeschürfte Knie, „Teppichbrand“). Behandlung siehe „nässende Wunden“.
Cutting
- Oberflächliche Schnitte, die kaum oder gar nicht bluten, brauchen ausser einer abschließenden Dosis Antisept keine Behandlung.
- Tiefere Schnitte: Behandlung siehe „Verletzungen der Haut“. Soll bei klaffenden Wunden die Narbenbildung minimiert werden, ist es u.U. erforderlich, den Schnitt klammern oder nähen zu lassen.
Nadelspiele
- Ein- und Ausstichwunden brauchen ausser einer abschließenden Dosis Antisept keine Behandlung.
- Hämatome: siehe oben.
Analspiele
- Schließmuskel-Krämpfe: Der Schmerz fühlt sich unerträglich an – Schließmuskelkrämpfe sind davon abgesehen aber völlig harmlos. Sie treten gelegentlich innerhalb einer Session auf (in diesem Fall: nichts bewegen und abwarten, bis es besser wird. Dildo o.ä. auch nicht herausziehen, das verschlimmert den Krampf!), gelegentlich aber auch danach. Keine Behandlung möglich: Abwarten und aushalten.
- Koliken: Werden gelegentlich chemisch verursacht, z.B. durch Gleitmittel – oder Kondom-Unverträglichkeiten oder bestimmte Klistier-Zusätze. Wärme auf dem Bauch und entspanntes Liegen können die Krämpfe lindern. Sollten Krämpfe zusammen mit Fieber und/oder stärkeren Blutungen auftreten, solltest du dringend einen Arzt aufsuchen, es könnte eine Darmverletzung vorliegen.
- Leichte Blutungen, Wundsein des Afters: Bepanthen- oder andere Wundsalbe hilft. Sollten vorhandene Hämhorriden verletzt worden sein oder sich entzünden, ist spätestens jetzt ein Arztbesuch angeraten.
- Starke Blutungen: Sofort zum Arzt! Mit Darmverletzungen ist nicht zu spaßen.
Als medizinischer Laie habe ich diesen Text zwar nach ausführlicher Recherche und Rücksprache mit Medizinern verfasst, möchte aber dennoch den Rat eines Experten nicht ersetzen. Hole dir im Zweifelsfall bitte immer eine weitere Meinung ein.
Intensive Erlebnisse ohne Reue wünscht
Undine
Dieser Artikel ist Teil des Bizarr-Paysex-Ratgebers:
- Die Wahl der passenden Spielpartnerin
- Die Kontaktaufnahme
- Session-Vorbereitung
- Tipps für ein erfolgreiches Vorgespräch
- Nachsorge Teil I (körperlich) – Teil II (emotional)
Wenn du den Ratgeber hilfreich fandest, könnten dich auch meine weiteren Einsteiger-Tipps interessieren.
Sehr geehrte Undine,
Ich lese Ihren Block seit geraumer Zeit, und find ihn wirklich gut. Großes Lob an dieser Stelle.
Allerdings hätte ich mir bei diesem Topic auchnoch was zum Thema Nachgespräch gewünscht, da es ja Angfänger Tips sein sollen. Dabei sollte geklärt werden, ob Damen sich auch einen Tag später noch Zeit für soetwas nehmen (meist ist drüber schlafen ja nicht das schlechteste um das geschehene revue passieren zu lassen).
Soetwas wäre für mich, der seit seinem 14 Lebensjahr BDSM Fantasien hat, sie aber nie ausgelebt hat noch interessant.
Ansonsten hoffe ich auf weitere tolle Blogeinträge Ihrerseits.
Hallo Cain,
vielen Dank für die Anregung. Auf mehrfachen Wunsch schreibe ich inzwischen an einem zweiten Teil des Nachsorge-Artikels, der sich mit emotionalen Nachwirkungen einer Session befasst. Dort greife ich auch das Nachgespräch auf.
Momentan nimmt mein Hirn allerdings gern mal hitzefrei, daher beschränke ich meine Aktivitäten am Rechner auf ein Minimum und halte stattdessen Siesta. 😉
Gruß,
Undine
Hallo Undine,
Eine sehr verständliche Sache und eine gute Idee ersteinmal Siesta zu halten.
Wenn mein Hirn das mal könnte….beneidenswert. Ich hoffe trotzdem, dass es demnächst wieder interessante Artikel zu lesen bzw. videos zu sehen gibt (Undine liest Undine fand ich super, was für eine tolle Stimme *schwärm*).
Ich freue mich, dass der angeregte Artikel bereits in Arbeit ist.
Dann Wünsch ich mal angenehme Träume bei der Siesta. 😉
Gruß,
Cain
So, nun endlich gibt es Nachsorge Teil II (emotional) inklusive einer Abhandlung über Nachgespräche.
Vielen Dank für das Kompliment!
Gruß,
Undine
Sehr verehrte Lady Undine, ich finde es großartig, dass Sie diese Seiten verfaßt und veröffentlicht haben; sehr hilfreich. Bedauerlicherweise stoßen ich erst jetzt, nach Jahren, hierauf.
Aber glücklicherweise habe ich seit einiger Zeit ein Studio im hiesigen (Köln-Bonner) Raum. bei dem das so vorbildlich läuft, wie Sie es denn wohl gern hätten.
Also, machen wir uns nichts vor, nach Hamburg komme ich kaum. Aber – Gratulation für diese Seiten.
Freundliche Grüße, im BDSM-Sinne ein Switcher
Verehrte Lady Undine,
recht herzlichen Dank für diese sehr präzisen Anleitungen , haben mir auch schon
oft sehr geholfen , nochmal danke dafür.
Beste Grüsse
Caneboy
Ich weiß, dieser Eintrag ist schon etwas älter, aber ich musste gerade an den Teil mit den Nerven denken und nun bin ich neugierig, auch wenn folgende Sache eher nichts mit BDSM zu tun hat:
Wenn ich nach einer Weile der Untätigkeit wieder anfange, Gitarre zu spielen, ist es ja völlig klar, dass es erst einmal weh tut, bis sich die Hornhaut auf den Fingerkuppen neu bildet. In dieser Anfangsphase habe ich nach längeren Spielphasen häufig ein taubes Gefühl in den Fingerkuppen, lange bevor die wirkliche Hornhaut spürbar ist. Könnte es sein, dass das taube Gefühl einfach eine Äußerung beanspruchter Nerven ist und keine Art Vorstufe von Hornhaut, wie ich immer dachte? Eigentlich liegt es ja nahe, da die Fingerkuppen sehr empfindlich sind… Oh je, beim Drüberlesen hört es sich an wie eine Anfrage beim Netdoktor 😉 Es ist aber tatsächlich reine Neugier.
Viele Grüße,
Kürass