Ist erotische Hypnose gefährlich?

Mit dem Mythos grundsätzlicher Macht- und Willenlosigkeit unter Hypnose habe ich bereits in der Vergangenheit aufgeräumt – allerdings unter dem Vorbehalt, dass entsprechende Suggestionen durchaus greifen können, wenn sie beim Hypnotisanden auf fruchtbaren Boden fallen, weil der Aspekt des Kontrollverlustes erotisch besetzt ist. Der Artikel schloss mit dem Fazit:

Wenn wir nun von gegenseitigem Wohlwollen der Beteiligten und von einvernehmlichem BDSM ausgehen, gilt daher das gleiche wie für die meisten anderen SM-Techniken auch: langsam herantasten, Feedback einholen, ggf. langsam steigern!

Macht- und Willenlosigkeit unter Hypnose

Nun ist aber leider nicht immer von gegenseitigem Wohlwollen auszugehen. Und es treffen sich für die BDSM-Hypnose auch nicht immer zwei Menschen persönlich, die einander langsam kennenlernen und jeden Aspekt des gemeinsamen Spiels ausdrücklich miteinander verhandeln. Was vor allem im englischsprachigen Raum an Hypnose-Audiofiles mit manipulativen Inhalten kursiert, ist haarsträubend. Zum einen gibt es die Aufnahmen, die den Hypnotisanden an einen bestimmten kommerziellen Hypnotiseur binden und ihn dazu verleiten sollen, weitere Files zu kaufen, oder ihm auf andere Weise das Geld aus der Tasche ziehen. Zum anderen finden sich Suggestionen, die so einschneidend in die Persönlichkeit und den Alltag des Passiven eingreifen (sollen), wie es für die meisten Menschen kaum ohne psychologischen und sozialen Schaden real umsetzbar wäre.

Hypno-Edgeplay

Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, sich lediglich über die mangelnde Ethik der Urheber dieser Aufnahmen aufzuregen. Spannend ist nämlich auch die Nachfrage von passiver Seite nach genau solchen Szenarien. Für viele Hypno-Kinkster sind Machtübernahme, Kontrollverlust und psychologische Abhängigkeit zentrale Bestandteile ihrer Phantasien. In einem internationalen Hypnose-Forum las ich gerade heute morgen beim ersten Kaffee die Frage, „Kennt jemand hier so richtig suchterzeugende Hypnosefiles, abgesehen von […]? Ich finde hier keinen passenden Thread dazu. Ich suche was, das geil und kinky ist und was ich mir jeden Tag anhören muss.“ Es folgen diverse Antworten mit Tipps und Links, niemand hier scheint dieses Anliegen bedenklich zu finden.

Es steht mir nicht zu darüber zu urteilen, wenn jemand im Rahmen seiner sexuellen Erfüllung Veränderungen in seinem Alltag vornehmen möchte. Das gilt für Body-Modifications genauso wie für Eingriffe in das Denken und Handeln. Wenn jemand damit glücklich ist, aufgrund von hypnotisch verankerter Inkontinenz ständig Windeln tragen zu müssen, oder die Reduzierung des IQ im Rahmen einer Bimbofication so weit treibt, dass ein Jobwechsel erforderlich ist – you do you! Und das meine ich ernst. Ich hab mir damals meine Wahlheimat Hamburg unter anderem wegen der hier blühenden Fetisch- und SM-Szene ausgesucht. Der Möglichkeit halböffentlicher Ausschweifungen so viel Gewicht bei den Überlegungen zu einem internationalen Umzug einzuräumen, mag anderen Menschen völlig irre erscheinen.

Als Hypnose-Domina bekomme des öfteren Anträge, bei denen ich denke: joah, mutig. Und wenn ich mein Gegenüber noch nicht gut kenne und einschätzen kann, und die Suggestionen und Trigger entsprechend zunächst etwas vorsichtiger formuliere, heisst es gern: „War schon super, und jetzt bitte noch eine Nummer härter.“ Großartig! Ich kann ja nun auch nicht gerade behaupten, die Vorstellung eines Heeres willenlos programmierter Roboter-Sklaven, deren einziges Glück darin liegt, mir auf ein Fingerschnippen zu gehorchen, ließe mich kalt. Insofern: immer her mit den dunklen Phantasien. Ich werde sie nähren und pflegen, und sie dürfen bei all den anderen Leichen in meinem Keller wohnen …

Es gibt zweifellos viele Empfänger, die mit solchen Szenarien gut umgehen können. Die auch in einer Trance Dirty Talk und erregendes Kopfkino von Suggestionen unterscheiden können, die tatsächlich langfristig nachwirken sollen, und die mit etwaigen Veränderungen zufrieden und erfüllt sind, die sich durch die Hypnose einstellen, egal wie Dritte vielleicht darüber urteilen mögen. Für andere ist das Ganze ohnehin nur ein Spiel, in das sie zeitlich begrenzt eintauchen – beispielsweise, während sie ein erotisches Audiofile hören, die Phantasie des Ausgeliefertseins genießen und sich dabei selbst befriedigen – und die nach dem Orgasmus entspannt die Augen öffnen und den Player abschalten, egal was die Dommse da noch weiter erzählt, weil, danke, reicht.

Das alles sind legitime und gesunde Wege, einem Hypnosefetisch nachzugehen. Hypnose ist keine Zauberei, die sich grundlegend von anderer zwischenmenschlicher Wechselwirkung unterscheidet oder die Gesamtpersönlichkeit, die Denkweisen und Werte des Hypnotisanden ausser Kraft setzt. Jede Kommunikation ist Manipulation, jeder gute Sex findet in Trance statt, BDSM sowieso, und Hypnose ist nur ein Ritual, das den Fokus auf innere Bilder verstärkt und gegebenfalls erwünschte Veränderungsarbeit erleichtern kann.

Die Macht der Phantasie

Und dennoch gibt es Fälle, in denen nicht alles glatt und unproblematisch verläuft. Neben Abreaktionen, also unerwarteten emotionalen Ausbrüchen aufgrund intensiv erlebter Visionen, ist das Dilemma oft ein Konflikt zwischen dem bewussten oder unbewussten Wunsch eines möglichst real erlebbaren Machtgefälles mittles Hypnose und einer konkreten Suggestion, die grundsätzlich oder in diesem Moment nicht passt.

Wir erinnern uns an den eingangs erwähnten Artikel:

Grundsätzlich hat der Hypnotisand verschiedene Möglichkeiten, auf eine Suggestion zu reagieren – Zustimmung, Ablehnung, Indifferenz. Damit eine Suggestion wirksam wird, ist eine enthusiastische Zustimmung der relevanten unterbewussten Persönlichkeitsanteile nötig: „Ja, genau! Ich mag diese Suggestion! Ich weiss, dass sie funktioniert!“ Gleichgültigkeit, Ablehnung oder auch nur die Hoffnung, dass es schön wäre, wenn diese Suggestion funktionieren würde, führt dagegen dazu, dass die Suggestion nicht umgesetzt wird.

Macht- und Willenlosigkeit unter Hypnose

Wer entspannt auf eine ungeeignete Suggestion reagiert, ignoriert sie, passt sie innerlich an oder beendet die Trance, falls der Bruch zu groß wird. Ist nun allerdings der Wunsch, den Zauber der Wirksamkeit der Hypnose nicht zu zerstören, ähnlich stark wie die Ablehnung einer bestimmten Suggestion, kann das durchaus dazu führen, dass dieser Konflikt, statt ein entspanntes inneres „ach nein, das passt mir gerade nicht“ auszulösen, als Wut auf den Hypnotiseur oder auf sich selbst gerichtet wird, oder sich in verzweifelten Gedankenschleifen nur immer mehr intensiviert. Das Beispiel eines hypnotischen Keuschheitsgürtels, der unerwartet ein wenig zu sicher abgeschlossen war, findet sich als Erfahrungsbericht in meinem Blog.

Einschlägige Communities und Internetforen sind voller Warnungen vor „gefährlichen“ Audiofiles, die tief in die Persönlichkeit eingreifen oder offene Trigger verankern sollen, die anschließend jede Person auslösen kann, die das Zauberwort kennt. Manch einer erzählt, wie solche Files „das Leben dessen runiert haben“, der sie sich ein paar mal zu oft angehört hat. Selbst wenn man davon die Geschichten abzieht, die zweifellos linkshändig getippt wurden, oder deren Absicht darin besteht, Aufmerksamkeit oder Mitleid zu erregen, um so von einem Hypnotiseur mit Helferkomplex weitere Trancen zu „Problembewältigung“ abzugreifen, bleiben genug ernstzunehmende Schicksale übrig. Wahrscheinlich betrifft einiges davon Menschen, die aufgrund von Kontrainidikationen vorsichtig mit dem Thema Hypnose umgehen sollten, das aber aus verschiedenen Gründen nicht getan haben. Aber es kann alle möglichen Ursachen geben, warum jemand einer fixen Idee folgt, die Kollateralschäden anrichtet. Wir alle tun das ständig. Und letztlich kann auch alles, was sich gut anfühlt, unter ungünstigen Umständen zu Suchtverhalten führen.

Ich könnte nun einfach dazu raten, solche Audiofiles oder Hypnotiseure mit schlechtem Ruf zu meiden. Aber zum einen hat man nicht immer im voraus alle Informationen für diese Entscheidung, zum anderen spielen die Leute auch schlicht gern mal mit dem Feuer. Ich bin selbst eine Verfechterin von „Risk Aware“ statt „Safe & Sane“, also davon, die Risiken des Lebens (hier vor allem der Lust) bewusst abzuwägen statt der Illusion zu erliegen, man könne sie vollständig ausschließen.

Gefahren der Hypnose

Ist erotische Hypnose nun gefährlich für den Hypnotisanden, und falls ja, wie gehe ich um mit dieser Gefahr? Die Lösung dafür liegt meines Erachtens weniger in der Warnung vor dem Konsum bestimmter Audiofiles, Formulierungen oder Trancetechniken, denn durch diese Art der (Ehr-)Furcht füttert man vor allem die eigene Überzeugung des Ausgeliefertseins. Ich möchte vielmehr eine Lanze brechen für die Stärkung der Entscheidungsfähigkeit, Selbstwirksamkeit und Resilienz des Hypnose-Empfängers, nicht nur im Vorfeld, sondern auch innerhalb und nach einem Tranceerlebnis. So enttäuschend das für manche klingen mag: Die Hypnose findet in deinem Kopf statt. Du hast letztlich die Kontrolle über das, was dort passiert. Entwickle und nutze deine Schutzmechanismen und inneren Wächter. Und vor allem: erkenne die Macht der Gelassenheit. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit – und genauso ist der beste Panzer gegen eine ungewollte Suggestion nicht die Panik, sondern das entspannte innere „ach, nein, das passt mir gerade nicht“. Wie Wassertropfen, die vom Rücken einer Ente abperlen. Einfach so.

Leichter gesagt als getan, denn du willst ja die Macht der Hypnose spüren. Wenn du nun verinnerlichen sollst, dass du jederzeit mit „ach, nein danke, das passt gerade nicht“ die Augen öffnen kannst, zerstört das nicht den Reiz? Klar, manche Menschen können Fesseln nur dann genießen, wenn die Stahl-Handschellen abgeschlossen sind – andere bekommen in so einer Situation ganz unerotisches Unwohlsein und lieben eher die Symbolik sanfter Seile. Wenn dir sowieso der Sinn mehr nach hypnotischen Traumreisen auf Augenhöhe steht, fällt es dir vermutlich leichter, auch mal zu einer Suggestion nein zu sagen. Und auch diejenigen, die erotisches Spiel und den Rest des Lebens mühelos getrennt halten, dürften mit diesem Konzept kaum Probleme haben. Aber was, wenn die Programmierung zur willenlosen Drohne nun einmal das Hauptvergnügen der ganzen Angelegenheit darstellt, und Drohnen widersprechen nicht?

Ein Trick, dieses Dilemma aufzulösen, ist der explizite hypnotische Auftrag zum Selbstschutz. Wer mit heiklen, härteren Themen spielen möchte, kann für Live-Sessions zu Beginn etwa ein Safeword oder eine ideomotorische Geste verankern, mittels derer der Passive darauf aufmerksam machen kann, dass etwas nicht stimmt. Hypnotisches Edgeplay kann sicherer gestaltet werden, wenn die oberste Direktive der willenlosen Drohne darin besteht, die psychische Gesundheit der Ursprungspersönlichkeit zu schützen, ganz explizit auch, indem alle Suggestionen entspannt abgelehnt werden, die diesem Auftrag entgegen laufen. Damit wird die Fähigkeit zum Nein eine Folge der Macht der Hypnose, statt ihr zu widersprechen, und wer „ein gutes Subjekt“ sein möchte, hält sich daran.

Weil du dich auf dich verlassen kannst.

Und wenn keine direkte Kommunikation mit deinem Hypnotiseur möglich ist, etwa weil du gern schmutzige, anonyme, kostenlose Hypnose-mp3s aus den dunklen Tiefen des Internets in dich aufsaugst, und solche Audiofiles so gut wirken, dass du weisst oder befürchtest, dass dich das in Konflikte stürzen könnte?

Dann lade dir jetzt ein weiteres (in diesem Falle blütenreines und nicht ganz so anonymes) kostenloses Audiofile auf deinen Player, spüre die Macht der Hypnose und erhalte die explizite Erlaubnis meiner bescheidenen Wenigkeit, auch mal entspannt „nein“ zu sagen. Selbst zu meinen eigenen Suggestionen! Wie Wassertropfen vom Rücken einer Ente. Weil ich es sage, kraft der mir von deinem Unterbewusstsein verliehenen Autorität. Einfach so.

Undine de Rivière: „Achtung: Dies ist eine Sicherheitsdurchsage!“

Als Bonus enthält die Aufnahme am Ende ein Bild zur Prävention, das es dir zukünftig erleichtert, Audiofiles in einem „Analysemodus“ anhören zu können, bevor du dich auf die Inhalte einlässt.

Es geht übrigens nicht darum, dass Hypnose für dich ihre Wirkung verliert. Ganz im Gegenteil! Damit würde ich mir als betörende Sirene ja selbst das Wasser abgraben. Doch je besser die Opfer meiner hypnotischen Missetaten auf sich acht geben können, desto eher bleiben mir Hilferufe erspart, die mich aus meinem wohlverdienten Urlaub holen …

Wenn du sicher bist, dass du dich letztlich auf dich selbst verlassen kannst, wann immer es notwendig ist, kannst du dann, wenn es gut und richtig (und erregend) ist, dich umso tiefer fallen lassen in die Trance, in den Traum. Und bereichert daraus erwachen, in der Gewissheit, dass du nicht nur keinen Schaden angerichtet hast, sondern im Einklang mit deinen selbstgewählten Zielen der idealen Version deines Selbst näher gekommen bist. Sowohl unbedingte Hingabe als auch ein entspanntes „Nein“ im richtigen Moment begründen sich aus der kreativen Leistung deines Geistes, eine Realität zu konstruieren, die dich erfüllt und für beide Beteiligten eines einvernehmlichen Machtgefälles befriedigend ist.

Posthypnotische Trigger löschen

Und nun noch ein Klassiker zum Schluss, der keiner großartigen Erklärung bedarf: Falls das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und Suggestionen und Trigger in dir verankert sind, die du gern wieder loswerden möchtest, bitte hier entlang:

Undine de Rivière: „Hypnotische Suggestionen und Trigger löschen“

Der Lohn für die Beachtung aller Sicherheitsvorschriften ist die Startfreigabe. Trau dich … schwebe … träume. Ich wünsche guten Flug!

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